Tagesgeflügelsoße 26.04.2024


Am besten am Wochenende keinen Schritt zu viel und keinen Schritt zu wenig. Ich pilgere morgens erstmal zu der Bäckerei um die Ecke und danach zu den Orten in der Nähe, über die ich in der Woche irgendwelche faszinierenden Neuigkeiten gelesen habe. Nun schaue ich vorbei und lasse meine eigenen Augen über die vielseitigen städtischen Desaster gleiten und fühle mich dabei seltsam gut und seltsam ohnmächtig. Hier eine Baustelle, da ein Graben, hier ein rissiges, altes Haus und da ein frisch verbranntes Auto. Dazwischen drei Polizist*innen, die eine Anzeige eines zerlumpten und ungewaschenen Bürgers aufnehmen, im Vorübergehen höre ich sie über Körperverletzung sprechen. Es entgeht mir nichts.

Tagesgemüsehandel 08.06.2023


Heute ist es warm und die Temperatur in meinem Büro steigt auf 27 Grad Celsius. Besser nicht das Fenster öffnen. Ich stehe auf und kippe beinahe aus den Latschen. Schön gerade gehen und den Blick nach vorn richten, hin und wieder zurück und mal was für den Kreislauf tun. Eigentlich wollte ich heute in der Pause hinausgehen und herumlaufen, hinaus und herum, aber das mache ich nun doch nicht, dafür auf dem Weg nach Hause einen ordentlichen Fußweg wählen, in den Außenbereichen der Gastronomie sitzen schon alle herum und trinken. Ich will auch, erstmal Kokoswasser und dann die salzige Suppe und dann wird wieder alles gut.

Tagesgedankengang 06.03.2023


Endlich wieder Kälte, sogar Schnee und ein Begrüßungsstau von 40 Minuten, haha, endlich wieder in die heimatliche Alltagstragödie zurückgestottert und -gehumpelt, ein herzliches Hallo im Wäscheberg und kein Ola und niemand fragt mich, ob ich noch mehr bebida wünsche; überhaupt , meine Wünsche, die müssen jetzt mal wieder etwas in den Hintergrund treten und der Stoff vom Koffergriff ist aufgerissen, so geht es nur mit Klebeband. Mein Wahlspruch für die erste Woche : so geht es nur mit Klebeband.

Tagesgehälter 05.02.2023


Draußen im hellgrauen bis hellblauen, beigefarbenen Osten der Stadt; hier ist die Verlängerung, hier ist alles nah und auch fern , hoch und auch tief, drinnen schwarze Jacken und auch weiße Jacken oder bunte Jacken, die halten schön warm im Grau und im Blau. Gar nicht so schlecht der Winter, mit Taschentüchern und Mütze geht das alles , wir suchen uns eine gute Stelle, wo es weder stürmt noch schneit , es etwas zu trinken gibt und nette Leute über die selben Scherze lachen müssen bis zum An- und Abschlag.

Tagesgewichtsproblem 31.03.2022


So ein Tag kann sein wie durch einen schleimigen Sumpf stapfen oder wie über eine grüne Wiese schlendern oder wie über einen zugefrorenen Teich schlittern oder wie über ein ebenes Pflaster schreiten. Ich stapfe und schlendere und schlittere und schreite , doch die meiste Zeit wandere ich durch die Stadt wie durch einen lichten Wald. Und das fast jeden Tag und mehrere Stunden, so wie ein Stadtmensch als Waldmensch . Die Stadt ist mein Wald .

Tagesgebote 10.09.2021


So lange her. Wenn es ums reisen geht, rede ich schon von früher oder damals. Ich kann mich aber noch erinnern, wie ich mich über die damit einhergehenden Strapazen beklagt habe. Also denke ich mal anders herum. Das Leben ist schon ohne längere Reisen anstrengend genug. Ich genieße es alles zu Fuß zu tun und nie warten zu müssen. Ich brauche mich nicht nach Fahrplänen zu richten, ich folge meinen Sinnen; wenn ich abends nach Hause komme, bleibe ich dort und pflege meine geschundenen Fußsohlen.

Tagesgebrauchsspuren 01.09.2021


Eine Danksagung im Treppenhaus für die Anteilnahme am Tod des Ehemannes. Ich weiß gar nicht, wer das war. Ach doch, die Frau hat sich mal beschwert, dem Mann war das unangenehm, dabei war die Beschwerde berechtigt. Der Mann hat immer die schweren Tüten getragen. Zuletzt sah er gebrechlich aus. Ich habe nichts mitbekommen. Hier im Haus sind alle ruhig, freundlich, unauffällig. Manchmal bekommt man etwas geschenkt, weil man Pakete entgegennimmt, Schokolade oder Blumen. Manchmal nehmen auch die Nachbar/innen Pakete entgegen. Manchmal muss man durch das ganze Haus rennen um das Paket aufzutreiben. So sieht man sich dann mal und weiß : ach ja, der war das.

Tagesgefahrenbereich 31.07.2021


Mitten im Sommer blicke ich auf und sehe lauter graue Wolken, was gut ist, denn ich habe Zeit aufzublicken und lauter graue Wolken zu sehen. Wenn ich aufblicke, sehe ich lauter graue Wolken. Es ist eine Wohltat, draußen zu sitzen und niemand guckt. In der Stadt guckt immer jemand. Ich gucke ja auch. Ich gucke anstatt zu blicken. Meine Augen erholen sich, ich lasse meine Brille liegen und finde sie nicht mehr. Egal. Zuhause passiert mir das nie. Zuhause kann ich nicht ohne Brille. Hier unter den grauen Wolken ist es leicht ohne scharfe Konturen.

Tagesgefühl 27.06.2021


Die Liebe zur Langeweile , die Sehnsucht nach Leere. Hier in der Stadt scheint es mir immer zu voll, sogar am frühen Morgen sind die Fenster schon erleuchtet und die Menschen gehen zur Arbeit . So wie ich. Stille und Leere mitten in der Stadt, das gibt es nicht. Immer höre ich Geräusche aus den vielen Wohnungen und die Autos fahren Tag und Nacht durch die Gegend. Das Grundrauschen geht nicht weg, da kann ich mir auch Ohrstöpsel in die Ohren stopfen, mindestens höre ich dann noch das Restgeraschel und Restgeschlucke und Restgegurgel wie aus einem hauseigenen Gulli.

( Quelle youtube ):

Tagesgesicht 15.05.2021


Wenn der Kriminalfilm in Berlin spielt, wird es ungemütlich. Für Heiterkeit und Kulinarik ist hier kein Platz. Es bleibt düster und dramatisch. Dabei gibt es doch auch hier Heiterkeit und Bagatelldelikte sowie andere Albernheiten. Was aber natürlich nicht so interessant ist. Das Image der Stadt ist eben hauptsächlich urban im üblen Sinne. Ich mag das. Urban im üblen Sinne, so stelle ich mir das vor. In den öffentlichen Verkehrsmitteln und der Innenstadt. Das andere Berlin ist ja so wie überall.